Gesammelte Artikeltexte des Kurier für Niederbayern, Ausgabe vom 1914-12-17. Unterstützt durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE). Herausgeber: Lehrstuhl für Digital Humanities, Universität Passau (2016). Veröffentlicht unter der Lizenz Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International. Kurier für Niederbayern: Landshuter Tag- und Anzeigenblatt; unabhängige Tageszeitung für Heimat und Volk. Altbayerische Verlagsanstalt Vereinigte Dr. Mühldorf, Betrieb Landshut. 67. Jahrgang Nr. 342, 1914-12-17. Die gescannten Zeitungsbände wurden von der Bayerischen Staatsbibliothek München zur Verfügung gestellt. (https://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=644150540&db=100) Die Zeitungsdoppelseiten wurden mit 300dpi und einer Farbtiefe von 24 Bit gescannt, die resultierende TIFF-Datei binarisiert und als Input für die OCR-Software verwendet. 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Das Volk des ehemals.allerchristlichsten Königs lehnte es ab, während weniger Stun­ den das Menschenmorden einzustellen, einen kurzen Gottesfrieden zu halten. Vielleicht rechnet man mit der gemütstiefen Auffassung des Weihnachtsfestes im deutschen Volke und glaubt, während unsere Soldaten sich vielleicht ein paar Tannenzweiglein mit Kerzen schmükken, wenn sie die Geschenke der Liebe betrach­ ten und ihr Denken zur Heimat fliegt den geeigneten Augenblick gekommen, die schwarzen und braunen Horden gegen unsere Kämpfer loslassen zu können, um ihre blutige Messer­ arbeit zu verrichten. Nun wohlan, sie wer­ den unsere Soldaten bereit finden, wenn auch vielleicht mit schmerzlichem Verzicht auf die geringen Weihnachtsfreuden, aber mit desto grimmigerem Haste gegen die blutgierigen Feinde, diesen in blutiger Vergeltungsarbeit ihre Heimtücke heimzuzahlen. In Italien hat die Kammer die Tages­ ordnung der Regierung angenommen und die­ ser somit ein Vertrauensvotum gegeben. In Portugal scheint die Kriegsbegeist rung eine sehr geteilte zu sein, denn die Re­ gierung erlangte wohl in der zweiten Kam­ mer eine knappe Mehrheit, während ihr die erste Kammer ein direktes Mißtrauensvotum gab. Gestern nachmittags wurde berichtet:. WTB. Berlin, 16. Dezember, mittags. (Großes Hauptquartier.) Unsere Flotte ist wieder in Aktion ge­ treten. Einige unserer Kreuzer haben Sear­ borough und Hartlepool, an der Ostküste Eng­ lands mit Erfolg bombardiert und grasten Schaden angerichtet. Tie Kreuzer wurden in einen Kampf mit englischen Schiffen verwickelt, doch fehlen noch Einzelheiten. Im Westen sind die Vorstöste der Feinde, die in den letzten Tagen eingesetzt hatten, an der eisernen Mauer unserer Truppen geschei­ tert. Gestern versuchten die Gegner einen neuen Vorstoß bei Nieuport, aber auch hier wurde der Angriff, trotzdem er durch das Feuer der Schiffe von der See aus unterstützt wurde, zurückgewiesen. Tie Franzosen mußten sogar 450 Gefangene in deutschen Händen lassen. Auch im Elsaß wurde den Franzosen eine Höhe im Sturm abgenommen. In Nordpolen haben unsere Truppen neuerdings 3000 Russen gefangen. Ter österreichische Sieg in Westgalizien in Verbindung mit unseren Erfolgen bei Lodz macht den Gegner bereits ernstlich besorgt. Selbst der Berichterstatter der "Nowoje Wremja",dieser russischen Teutschenhasserin, kann nicht umhin, einzugestehen, daß die russische Offensive vollständig gescheitert und die Lage des russischen Heeres eine kritische sei. Tas neutrale Ausland erkennt an, daß sich Deutschland in einer bedeutend besseren Lage befindet als die Verbündeten. Ter ita­ lienische Generalmajor Gatti glaubt, daß die Offensivkraft der Franzosen und Engländer zu einem kräftigen Vorstoß nicht mehr ausreiche und das russische Heer sich in einer Krisis be­ finde. Tie "Neuen Züricher Nachrichten" mei­ nen, daß das russische Heer vor dem Zerfall stehe. Tann werde aus dem Millionenheere ein Millionenchaos. In Rußland sucht man den Verfall durch Massenverhastungen aller mißliebigen Persön­ lichkeiten, besonders der radikalen und der fin­ nischen Tuma-Abgeordneten, vorzubeugen. — Auch die Universitäten wurden geschlossen und über Petersburg der verstärkte Kriegszustand verhängt. Ob alle diese Mittel den Zusam­ menbruch verhindern werden, der Rußland droht, wenn seine Armee geschlagen ist, mutz * erst die Zeit lehren. Von den türkischen Kriegsschauplätzen ist wenig zu melden. Ein altes türkisches Schiff der "Messudije" ist gesunken, nach türkischen Nachrichten durch ein Leck, nach engl, durch einen Torpedoschuß. Tie Mannschaft wurde gerettet. Einen Weihnachtsfricden hatte Papst Be­ ────────── Die Kämpfe in Flandern. 450 Franzosen gefangen. Im Westen versuchte der Gegner erneut einen Vorstoß über Nieuport, der durch Feuer seiner Schiffe von See her unterstützt wurde. Tas Feuer blieb gänzlich wirkungslos. Ter Angriff wurde abgewiesen. 450 Franzosen wurden zu Gefangenen ge­ macht. ────────── Im Oberelsaß. Auf der übrigen Front ist nur die Erstür­ mung einer vom Feinde zähe gehaltenen Höhe westlich Senheim, bemerkenswert. ────────── Im Osten. Von der ostpreußischen Grenze ist nichts Neues zu melden. ────────── Neuer Erfolg in Nordpolen. 3000 Russen gefangen. Zn Nordpolen verlaufen unsere AngriffsBelegungen normal. Es wurden mehrere Stützpunkte des Fein­ des genommen und dabei etwa 3000Gesangene gemacht und vier Maschinengewehre erbeutet. ────────── In Südpolen. g In Südpolen gewannen unsere dort im Verein mit den Verbündeten kämpfenden Trup­ pen Boden. Oberste Heeresleitung. Heute früh wurde telephonisch gemeldet: ────────── richt über die Beschießung von Hartlepool war das Wetter nebelig als die Beschießung begann. Viele Frauen und Kinder eilten in den Nacht­ hemden auf die Straßen. Es verlautet, daß daß 50 Schüsse abgegeben wurden. Aus Hüll wird berichtet, daß die Be­ hörden von Hartlepool in früher Stunde die Nachricht von dem geplanten Angriff auf die Küste empfingen. Tie Verteidigung wurde sorgfältig vorbereitet. Alle Einheiten, die Ar­ tillerie und die Infanterie befanden sich! auf ihren Posten. "Eoening Chronicle" meldet: Man glaubt, daß drei deutsche Kreuzer an der Beschießung Hartlepools teilnahmen. Kaum hatten sie das Feuer eröffnet, als sie von vier englischen Zer­ störern angegriffen wurden. ────────── Feindliche Flieger bewerfen ein Leichenbegäng­ nis mit Bomben. Berlin, 17. Dez. Die "Norddeutsche" schreibt: Ter kathol. Feldgeistliche einer Re­ servedivision, Universitätsprofessor Tr. Ludw. Baur berichtet folgendes: Ter Unterzeichnete hatte gestern, 5. November, nachmittags 3 Uhr, aus dem Friedhofe in Tadigeele eine Beer­ digung verstorbener Soldaten abgehalten. Ter Leichenkondukt war begleitet von einer Anzahl Aerzte unter Führung des dirigierenden Arz­ tes des Feldlazarettes Nr. 93 Tr. Dietrich. Als man die zwei Offiziere, die zu begraben waren, und von den übrigen Toten einen oder zwei ins Grab eingesetzt hatte, erschien über uns ein feindlicher Flieger. Obwohl er nicht sehr hoch, flog, und bei dem klaren durchsichti­ gen Wetter genau erkennen mußte, daß wir aus dem Friedhofe waren, um eine Beerdi­ gung vorzunehmen, warf er doch, zwei Bomben auf uns. Tie eine schlug in unmittel­ barer Slähe des Friedhofes ein, so daß Stahl­ splitter bis zu uns hereinflogen. Ta wir uns alle glatt auf den Boden geworfen hat­ ten wurde niemand verletzt. Tie zweite Bombe fiel etwa 100 Meter weit entfernt. Es dürste wohl ein direkter Bruche der Gen­ fer Konvention sein, auf ein Leichenbegängnis Bomben zu werfen. (Z.) Vom Lokomotivheizer zum Kompagnicführcr. Ter Lokomotivheizer Kremer aus Frank­ furt a. M. wurde bei der Mobilmachung als Reserveunteroffizier in die 3. Kompagnie des 81. Infanterie-Regiments eingestellt und hat aus dem westlichen Kriegsschauplatz in dieser Kompagnie 11 Gefechte mitgemacht und, nach­ dem sämtliche Offiziere der Kompagnie gefal­ len, das Kommando übernommen. Kremer blieb trotz zweimaliger Verwundung in der Gefechtsfront bei seiner Kompagnie und ist überall, wie der Regimentsführer Major Frhr. v. Schleinitz in einem Regimentsbefehl be * sannt gibt, ein leuchtendes Beispiel von Um­ sicht und Tapferkeit für alle Unteroffiziere und Mannschaften gewesen. Kremer, der zum Vizefeldwebel befördert, mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden war, hat nunmehr für seinen seltenen Mut und seine unerschrockene Tapferkeit das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhalten und den Grad als Feldwebel-Leutnant. Ein unangenehmer Schlafgast. Schweizerische Blätter berichten aus Markirch im Elsaß, daß dort ein Oberbahnassistent neun Tage nach der vor einiger Zeit erfolgten Beschießung der Stadt in seinem Bett eine flanzösische Granate gefunden habe. Das un­ angenehme Ting, das eine Länge von 67 Zentimeter und einen Durchmesser von 17 Zen­ timeter hat, bei einem Gesamtgewicht von 85 Pfund, hatte in schräger Richtung sämtliche Stockwerke des dreistöckigen Hauses durchschla- gen und war dann, ohne zu krepieren, spur­ los verschwunden, bis man sie endlich im Bett entdeckte. Ein Feuerwehrmann holte den un­ angenehmen Schlafgast ab. Frankreichs wirtschaftliche Schwäche. Aus Madrid wird unterm 5. ds. folgendes gemeldet: Tie einzige Bilanz, die die Bank vpn Frankreich seit Kriegsbeginn veröffentlicht hat und die vom Oktober datiert, bildet hier den Gegenstand kritischer Bemerkungen. Ter Goldbestand ist mit 4 Milliarden ungefähr der gleiche wie am 23. Juli 1914. Dagegen ist der Silbervorrat von 640 Millionen auf 320 Millionen zusammengeschrumpft. Ter Bestand an diskontierten Wechseln betrug 4 Milliarden 476 Millionen — gegen 1 Milliarde 540 Mil-» Honen — der Notenumlauf ist von 5 Milli­ arden 900 Millionen auf 9 Milliarden 300 Millionen gestiegen. Gold, Silber und Wechsel zusammen bleiben nodj, etwa 500 Millionen hinter der Summe des Notenumlaufs zurück. Tie Golddeckung beträgt etwa 45 vom Hun­ dert. Ter Staat schuldete der Bank von Frank­ reichs am 1. Oktober bereits 2 Milliarden 100 Millionen Francs. Diese Zahlen beweisen aufs neue, wie überaus schlecht es mit der geldlichen Lage des ehemals "reichen" Frankreichs bestellt ist. Den ungünstigsten Eindruck macht an diesem wieder einmal nach längerem Schweigen ver­ öffentlichten Vermögensstand der Bank von Frankreich die Riesenhöhe des Notenumlau­ fes, der mit Neuntausenddreihundertmillionen weit mehr als noch so hoch ist, als der unserer Reichsbank (Viertausendzweihundertmillionen). Auffallend ist ferner die riesige Verschuldung der Regierung an die Bank in Höhe von Zweitausendeinhundertmillionen, die einen neuen Beweis dafür liefert, daß es der Regie­ rung andauernd unmöglich ist, weder im eige­ nen Lande, noch bei den teuren Verbündeten namentlich! bei England, auch nur einen grö­ ßeren Teil des Geldes zur überaus kosffpieligen Kriegsflihrung auszubringen. ────────── Der Krieg mit England. Zur Seeschlacht bei den Falklandsinseln. Aus Rom wid dem "Berl. Lokalanz." ge­ meldet: Tie Londoner Admiralität lüftet den Schleier von der Zusammensetzung des allge­ meinen Geschwaders in der Seeschlacht bei den Falklandsinseln immer noch nicht, der Ma­ rinesachverständige der "Times" gibt jedoch die Tatsache zu, daß sich außer englischen Dread­ noughts auch, noch die japanischen Linienschiffe "Kongo" und "Hijei", beides Schiffe von 28 000 Tonnen, sowie der australische Linienkreuzer "Australia" an den Operationen beteiligt hat­ ten. (Z.) ────────── Aus den Kolonien. Fez von von Beduinen eingeschlossen. Kopenhagen, 16. Dezember. Aus Barzelona wird gemeldet: Ein spanisches Ge-, schwader wurde aus Marokko entsandt. Noch herrscht Ruhe in der spanischen Zone. Der Auffuhr der Eingeborenen droht aber sich, dorthin auszubreiten. Tie Lage der Fran-^ zosen in Maroflo ist sehr schwierig. Fez ist von 20 000 Beduinen eingeschlossen. ────────── Tie Knute in der Bukowina. Wien, 16. Tez. Nach einer der Po­ litischen Korrespondenz aus Bukarest zugehen­ den Mitteilung berichten aus Rußland dort eingetrofsene Reisende, daß nicht nur die Füh­ rer der Sozialisten, sondern überhaupt alle radikalen Mitglieder der Duma verhaftet wor­ den sind. gen der jüdischen Bevölkerung, die die vom Feinde bedrohten Städte verlassen will, die" größten Schwierigkeiten in den Weg. (Z.) Tie Festung Przemhsl. Budapest, 16. Dezember. "Est" meldet: In Satoralja-Ujhely in Oberungarn landete ein aus der Festung Przemhsl kommender Flie­ ger, der in einem großen Sturm dorthin ver­ schlagen worden war. Er erklärte, Przemhsl sei unvermindert stark und unversehrr, wie am ersten Tage der Belagerung. Es sei nicht das geringste Terrain verloren worden. Das Verteidigungsheer liege in ständig vorgescho­ benen Stellungen und unternehme täglich An­ griffe mit großelm Erfolg. Tie Soldaten seien guter Laune, fassen die Lage romantisch auf und machen viele Spässe. Lebensmittel seien reichlich vorhanden, auch für die Gefangenen, weshalb eine Aushungerung unmöglich sei. Tie Leitung halte eine Einnahme für ausgeschlos­ sen. Russische Offizierswerbung. Stockholm, 17. Tez. Ein hoher russi­ scher Beamter des finnischen Paßamtes rich­ tete an einen schwedischen Reserveoffizier in Upsala ein Schreiben, worin ihm zugemutet wurde, als Instrukteur der Reserveformationen in russische Dienste zu treten und auch seine Kameraden zum Tienstübertritt zu überreden. Ten schwedischen Offizieren wurde dabei zu­ gesichert, sie würden im Falle eines Krie­ ges zwischen Schweden und Rußland freies Geleite bis zur Grenze erhalten. Außerdem stellte ihnen das russische Schreiben Ranger­ höhung, höheren Gehalt und besondere Aus­ zeichnung bei Friedensschluß in Aussicht. (Z.) Verstärkter Kriegszustand iit Petersburg. Berlin, 16. Dez. Ueber die Verhän­ gung des verstärkten Kriegszustandes über Pe­ tersburg bringen die Stockholmer Blätter Ein­ zelheiten. Tie Petersburger Universität und die anderen Petersburger Hochschulen wurden polizeilich geschlossen. (Man vergleiche damit die Lage in Deutschland!) Petersburg ohne Wasser. Nach Meldungen ist Petersburg ohne Mas­ ter, da die Newa-Wasserleitung zugefroren ist. Viele Fabriken haben den Betrieb eingestellt. Tie Teestuben und Badeanstalten wurden ge­ schlossen. Tie Bahnhöfe sind in Dunkel ge- , hüllt. Tie Vergewaltigung Finnlands. Stockholm, 16. Dezember. Aus Helsingfors wird gemeldet, daß 8 finnische Land­ tagsabgeordnete unter Nichtachtung der Im­ munität festgenommen und nach Petersburg unter militärischer Bewachung gebracht wur­ den. Sie sollen mit den sozialdemokratischen Dumaabgeordneten, die in Petersburg verhaf­ tet worden sind, hochverräterische Beziehungen unterhalten haben. (Z.) ────────── Das junge Mädchen lachte. "Lieber Vetter, Sie sind wirklich ein Hin­ terwäldler geworden. Selbst wenn Sie mir großmütig in Falkenau eine Freistatt bieten wollten — es geht doch. nicht an, daß wir hier zusammen hausen." Er seufzte tief auf. "Es wird mir sein, als wenn ich die recht­ mäßige Herrin hier verdrängte. Ich weiß doch, daß Sie in Falkenau wurzeln, wie im Heimatboden." Sie blickte ihn lächelnd an. "Darüber sollen Sie sich. keine Kopfschmer­ zen machen, lieber Vetter. Ich habe ja von Kind auf gewußt, daß ich. eines Tages Fal­ kenau verlassen muß. Selbst wenn Joachim! hier Herr geworden wäre, würde ich nach Neulinden übergesiedelt sein, sobald er sich ver­ heiratet hätte." i "Trotzdem — ich habe die Einrichtung des Majorats immer als Ungerechtigkeit empfun­ den gegen Töchter und nachgeborene Söhne." "Nun in meinem Falle ist das nicht so schlimm. Zum Glück ist Neulinden nicht Majorat, und dort habe ich auch eine liebe Heimat. Und ich brauche mich nicht von dem liebgewordenen Erdenfleck zu trennen" — sie Lächelte schelmisch — "und werde mich bemü­ hen, gute Nachbarschaft mit Ihnen zu hal-; ten, damit mir die Grenzen von Falkenau auch in Zukunft nicht verschlossen werden."« "Das haben Sie gewiß niemals zu be^ fürchten, Base Annelies. Ich bitte Sie, ganz zu vergessen, daß es Grenzen gibt zwischen Falkenau und Neulinden." "O, in der ersten Zeit werde ich sie ohne­ dies nicht respektieren. Ich werde Ihnen sehr oft mit Tante Krispina ins Haus fallen, denn es gibt zwischen uns noch allerlei Geschäftliches zu erledigen." "Hoffentlich haben Sie recht häufig Ver­ anlassung nach Falkenau zu kommen. Ich habe jahrelang einsam in der Steppe gelebt, ohne es schmerzlich zu empfinden. Aber nun Sie von Falkenau fortgehen, werde ich. mir einsamer vorkommen, als je, zumal ich. mich nicht sobald entschließen werde, mit den an­ deren Nachbarn in Verkehr zu treten." "Nun, der Weg von Falkenau nach. Neu­ linden ist nicht minder schön und bequem, als umgekehrt," neckte sie. "Soll das heißen, daß ich. Sie in Neulin­ den besuchen darf?" "So oft Sie Zeit und Lust heben und die Einsamkeit fürchten. Tante Krispina und ich werden immer ein offenes Haus für liebe Gäste haben. Gelt Tantchen?" "Natürlich., Kind, wir sind ja keine Ein­ siedler." "Dann werde ich oft und gern von dieser Erlaubnis Gebrauch, machen. Ich werde ohne­ dies, zumal in der ersten Zeit, oft genug Rat­ schläge bei Ihnen einholen müssen. Denn ein guter Landwirt will ich erst noch werden und ich muß noch viel lernen. Wenn ich nur nicht wüßte, daß Sie Kollermann in Neulinden brauchten, und daß es sehr egoistisch von mir wäre, Ihnen diesen abspensttg zu machen, dann würde ich es versuchen, ihn auch ferner an Falkenau zu fesseln." Annelies lachte. "Sie würden bei Kollermann trotz seiner Liebe zu Falkenau damit kein Glück haben, wenn ich ihn nicht schon selbst gebeten hätte, Ihnen zur Seite zu stehen." "Wie soll ich. das verstehen, Annelies?" fragte er rasch. Sie atmete auf. Dann sagte sie ruhig: "Kollermann hat bisher seine Kraft zwischen Falkenau und Neulinden geteilt. Und er be­ hauptet, noch. kräftig genug zu sein, das auch noch. einige Jahre weiter zu tun. Ich stelle fa auch meinen Mann und werde die Hände nicht in den Schoß legen." i. (Fortsetzung folgt.) j ────────── Tie Wachen werden noch einmal genau in­ struiert. Tas Stroh ist weiche meine Gedanken sind hart. Ich. denke in einem Strom von Bildern und Satzreihen immer wieder fast quat= i voll an das Wort, das sie hier sagen als Schlußwort zu allen Sätzen: "Gott strafe Eng­ land!" Tie Uhr schlägt die Stunden. Ich zähle bis Mitternacht. Ta ist draußen leises Sprechen. Postenablösung. Ich zähle 3 Uhr da fallen unfern ein paar Schüsse. Wir sprin­ gen auf. Tie elektrischen Lampen leuchten grell über die weitzgetünchten Wände. Der Ober­ leutnant geht hinaus und meldet nach einer Weile. "Feldwache auf Gehöft N. hatte kleine Schießerei. Wir können weiterschlafen." Ich falle bald darauf in traumlosen Schlaf, aus dem mich erst mein Freund weckt. "Wenn wir nach P. woUen, müssen wir aufbrechen, es wird hell heute." Es gibt Kaffee mit kondensierter Milch. Ter Hauptmann müht sich. ab, in seinen Ka­ nonenstiefel zu kommen. Während mein Ober­ leutnant aus einer Tube Marmelade auf ein Stück Kastenweißbrot schmiert. "So leben wir, so leben wir, so leben wir nicht alle Tage", summt er dabei. Wir verlassen das Haus und gehen in die Schützengräben hinein. Tie Leute schla­ fen noch meistens. Im Osten ist der Himmel blaßgelb und an einer Stelle glüht er wie eine hellrote Wunde. Aber leichte Wolken schleiern schon wieder über die Farben. ^ Trotzdem kann ich die Gegend weit erken­ nen. Trüben die dunkelblauen Bergketten sind schon Rußland. Tas große weiße Gebäude rechts ist in russischen Händen; in weitem Bo­ gen parallel den unseren ziehen sich die russi­ schen Stellungen der 73. und 55. Division, die diesem Abschnitt gegenüberliegen. Tie Ent­ fernung zwischen den Linien geht von 2000 Meter bis zu 500 Meter an der nahesten Stelle, die wir jetzt erreichen wollen. Das Gelände dazwischen ist vorläufig für Infan­ terie kaum passierbar. 'Ueber diese Aecker, in die man bei jedem Schritt knietief in den zähen Boden einsinkt, kann so leicht kein Jnfanterieangriff geführt werden. Tie Russen haben nicht so völlig Unrecht, sich über die "Seefestung" Ostpreußens zu beklagen. Tie Unterstände sind sehr verschieden. Je nach der Geschicklichkeit ihrer Verfertiger. Am saubersten ist das "Gasthaus zum blutigen Kno­ chen" gearbeitet, das richtig kleine Fenster mit Läden und Bänken und Tischen hat. An der Trockenlegung dieser Strecken wird eifrig ge­ arbeitet. Freilich, ein wenig Aehnlichkeit mit der Tätigkeit des seligen Sysiphus hat diese Arbeit. An einer Stelle liegt etwa 200 Meter hinter dem Graben ein größeres abgebrann­ tes Bauerngut. "Tort soll unsere Weihnachts­ feier sein," sagt mein Begleiter. "Es sind dort große Keller, die sind geweißt worden, ein Zeichner von der 2. Kompagnie hat die Wände bemalt, Tische und Bänke sind in Ar­ beit. Hoffentlich! benehmen sich die Russen anständig." Wir gehen derweile vorwärts, treten aus dem Graben über eine kleine Lichtung, um die Gehöfte vor uns zu erreichen, da summt es vorbei, sodaß wir bod) vorziehen, in mög-r lichster Deckung an das Gehöft heranzukom­ men. Wir sind eben vor der Tür, da fallen vor den Feldwachen ein paar Schüsse. Es wird beschlossen, doch nicht unnötig die Aufmerk­ samkeit der Russen zu erregen; und in Deckung von einem Bahndamm vorsichtig in 5 Meter Entfernung gehen wir zu den Schützengräben zurMk. Tort frühstückt man jetzt. Mit ern­ sten Gesichtern meist. Dieser Krieg hier an der ostpreußischen Grenze hat nicht einmal das grimmige Lächeln, das der Krieg int Westen und in Polen zumeist haben soll. Ein paar Kilometer hinter den Linien stehen die Häuser und Felder der Ostpreußen, die buchstäblich hier mit ihren Leibern die Heimat decken. Weil sie hier bis zum Leib im Dreck und Wasser stehen, wochenlang, weil sie hier Tag für Tag aus der Grenzwache sind, kann der D-Zug ein wenig weiter rückwärts fahren, kön­ nen die Frauen an ihren Herden stehen uud in ihren warmen Häusern sitzen. Es handelt sich bei allen anderen Fronten um dasselbe natürlich, aber die Riesenentfernungen machen es nicht so greifbar für das Gefühl Hier weiß jeder Mann, wenn ich, zurückgehe, flammt meine Stadt, mein Torf, mein Haus in Funkens garben auf. Sie werden nicht zurückgehen, aber ihr Gesicht ist erzschwer und ernst. Ich möchte niemandem von dem Treigestirn, das mit dem Krieg spekulierte, raten, durch die Schützengräben hier an der ostpreußischen Grenze zu gehen. "Gott strafe England!" Wir verlassen den Graben, um vom Gie­ bel des Hauses, in dem wir geschlafen hatten, bei dem klaren Wetter in die feindliche Seite zu blicken. Ter Boden eines Bauernhauses, in dem es sehr ordentlich zugegangen sein muh. Es ist eine von den protestantischen Salzburger Familien, die zur Zeit der Gegenreformation hier angesiedelt wurden. Ein parr alte Holz­ sachen stehen in der Gerümpelecke. Sauber sind die Abteilungen für Obst, für Gerste, für Geräte, für Federn. Alles ist durch schmale polierte Wände getrennt. Tas kleine Fenster, vas noch halb zugepappt ist, blickt genau über die russischen Stellungen. Man sieht mit dem Glas deutlich, wie sie anfangen, neue Trahk-i Hindernisse zu bauen. Sie fällen am Wald-» rand Bäume, schleppen mit großer Selbstver­ ständlichkeit alles zum Bau Erforderliche in die neuen Linien. Als sie an einer Stelle, an der ihre Festsetzung nicht "erwünscht" ist, in ziemlich dichten Kolonnen ankommen, gibt unsere Feldwache Feuer. Tie Russen lassen Draht und Pfähle liegen und laufen eiligst zum Waldrand zurück. Hinter dem weißen Gebäude steigt Rauch auf, und wie ich oben in den Dachfirst klettere und durch eine kleine Luke hinübersehe, kann ich deutlich die Russen in Kompagniestärke etwa erkennen. Es wird Meldung an unsere Artillerie erstattet, daß sie einmal hineinfunkt. Hinter den schwarzen Fensteröffnungen im Giebel des weißen Hauses ist die Dunkelheit an ein paar Stellen hellgrauer als an den übrigen. Von dort beobachten russische Offi­ ziere uns, wie wir sie. Einmal kann man einen Kopf erkennen. Wir müssen zurück. Die Russen haben die Eigentümlichkeit, bei aufklarendem Wetter das ganze Terrain mit Granaten zu bestreuen; vor allem die großen Straßen. Man sagt sichi "Auf Wiedersehen!" Wie ich aus der Straße nach dem Stabsgehöst gehe, vor dem mein Wagen wartet, mutz ich- an die lustige und feste Redensart des Oberstleutnants denken: "Kommste übern Schwanz, so kommste übern Hund st Unsere Batterien beginnen gleichmäßig zu feuern. Rolf Brandt, Kriegsberichterstatter. ────────── können sie gerade sehr gut brauchen. Da liegt schon seit ein paar Tagen eine Menge toter Pferde. Hier sind Schaufeln; begraben Sie die Tiere". Tie Pferde wurden zwar 1 nur zu einem kleinen Teil in die Erde ged bettet, aber dieser Teil des Schlachtfeldes war für längere Zeit von unwillkommenen Be-» suchern gesäubert. Tie "Berlin-Roav" bleibt London erhal­ ten. Weil die Teutschen der "Berlin-Road" in Catford (London) sich der Umtaufung des Namens ihrer Straße widersetzten, beschloß der Ausschuß des Londoner Grafschaftsrates, die Aenderung deutscher Straßennamen dem Rate — nicht anzuempfehlen. Bergwerks-Katastrophe in Japan. Reuter meldet aus Tokio, daß sich in dem Bergwerk Fukuokan eine Explosion ereignete, durch die 800 Bergleute zum größten Teile verschüttet und erstickt wurden. Tages-Übersicht. Ein wirksames Mittel. Viele Pariser ma­ chen einen Ausflug in die französische Feuer­ linie, um sich mal eine moderne Schlacht an­ zusehen. Man braucht dazu einen Passier-» schein, der recht schwierig zu beschaffen ist; aber es gibt doch eine ganze Menge, die sich einen solchen Paß verschaffen, so viele, daß es dem französischen Generalstab unangenehm wird. Ein wirksames Mittel, sich' solcher mü­ ßigen Zuschauer zu entledigen, hat ein Arzt angewendet, wie die Newhorker Times in einem ihrer Kriegsberichte erzählt. Eine große An­ zahl Schlachtenbummler hatten sich eines Tages aus einem oberhalb von Soissons gelegenen Hügel zusammengefunden und beobachteten in­ teressiert das Arttllerieduell, das über den Fluß hinüber zwischen deutschen und franzö­ sischen Kanonen stattfand. Ta kam ein Stabs­ offizier daher und fragte sie streng, was sie Hier zu tun hätten. Einstimmig erklärten alle, sie wären gekommen, um sich' vom Roten Kreuz beschäftigen zu lassen. Ter Offizier nahm diese Ausflucht ernst und sandte den ganzen Trupp zu dem Oberarzt des nächsten Feldlazaretts mit der Bitte, ihn zur Arbeit anzuhalten. "Das ist aber wirklich! Hübsch von Ihnen allen", sagte der Arzt im freundlichen Ton. "Wir ────────── Georg Maier, Georg Faderl, Wolsgang Kell­ ner, Otto Pie, Andreas Weilnhammer, Mat­ theas Auerhahn, Joh. Bauer und Jos. Uhl­ mann; das Militärverdienstkreuz 1. Klasse für Kriegsverdienst dem Oberapotheker der Reserve Ludwig Englmann, Landshut. —* Ter Militär-Verdienstorden 4. Klasse mit Schwertern wurde dem Leutnant der Reserve Paul Pausinger der 1. Train-Ab­ teilung, Sohn des Herrn M.-R. Oekonomierates Paul Pausinger verliehen. —* Die Oesterreicher haben Bel­ grad geräumt. Diese Kunde, die uns vor­ gestern die amtliche österreichische Meldung brachte, durchzog wie ein Lauffeuer unsere Stadt und brachte den Schwarzsehern wieder erwünschte Gelegenheit zu neuer Betätigung. Selbst die wenige Stunden hernach. eintreffende erfreuliche Siegesnachricht vom galizischen Kriegsschauplätze vermochte die gedrückte Stim­ mung dieser Jammermenschen nicht zu heben. Als ob sie die geeigneten Personen wären, die taktischen Anordnungen unserer Verbünde­ ten zu korrigieren und zu kritisieren. Jeden­ falls waren es nur sehr gewichtigte Gründe, welche die österreichische Heeresverwaltung da­ zu bewogen haben, die feindliche Haupfftadt zu räumen, deren Besitz ja ohnedies für den Ausgang des Feldzuges ohne besonderen Be­ lang ist. Ob die Oesterreicher von ihrer Süd­ front Truppen nach Galizien gezogen haben, oder ob wirklich, wie es hieß, russische Ver­ stärkungen nach Serbien gekommen sind, wis­ sen wir nicht. Jedenfalls ist mit der Räu­ mung Belgrads der neue glänzende Sieg der Oesterreicher in Galizien nicht zu teuer er­ kauft, umsomehr als die Entscheidung nicht in Serbien, sondern auf dem östlichen und west­ lichen Kriegsschauplätze ausgekämpft wird. Aber glücklicherweise stehen wir in Bezug aus die Schwarzseher nicht allein. Interessant ist, was anläßlich, unseres Erfolges bei Lodz Wokffs sächsischer Landesdienst diesen ins Stammbuch schrieb. Es heißt dort: Es gibt Leute, denen das Abendbrot nicht mundet, wenn sie nicht vorher die Nachricht gelesen haben, daß wieder so und so viele Russen gefangen genommen worden find. Auch das entspringt patriotischem Empfinden, wenn auch, oder vielmehr obgleich es recht billig ist. — Solche Vaterlandsfreunde haben aber auch eine recht tadelnswerte Seite an sich. Tie Schlach­ tennörgelei! Erst dieser Tage war das nach dem schönen Sieg bei Lodz recht deutlich wahr­ nehmbar. Statt sich über den großen Waf­ fenerfolg von Herzen zu freuen, gab es eine Anzahl Unzufriedener, die in bewegten Wor­ ten ihrem Unmute Lust machten, weil am zwei­ ten Tage "nur" 5000 Russen gefangen gemel­ det wurden. Sogar recht unschöne Bemer­ kungen fielen, die man den Betreffenden nur deswegen zugute halten kann, weil infolge tö­ richter Gerüchte ihre Erwartungen zu hoch gespannt waren. Aber das Unangenehme der ganzen Erscheinung liegt in dem Beweis, wie wenig ernst, doch noch manche Leute dieKriegszeit auffassen. Sie tun fast so, als seien diese furchtbaren Kämpfe eine Art Sportschauspiel, als seien die ruhmreichen, schwer erstrittenen Siege nur dann etwas wert, wenn der Erfolg so ist, wie sie sich ihn in ihrem Laienver-stand ausgemalt haben. Diesen Nörglern mutz man doch bitter ernst und nachdrücklich ein­ prägen, daß es sich. hier nicht um ein lustiges Kriegsspiel handelt, sondern daß es um alles, um Sein oder Nichtsein Deutschlands geht. Wenn uns unser prächtiger General­ feldmarschall v. Hindenburg die russischen Ver­ wüster vom Halse hält und sie zu Tausenden gefangen nimmt, so tut er es wahrlich, nicht deswegen, damit Herrn Soundso abends das Bier besser schmeckt, sondern damit Deutsch­ land in der Welt weiter fortbestehen kann als großes, starkes, einiges Reich. Darum auch hier mehr Achtung vor der Größe der Auf­ gabe und mehr Ernst! —* Fort mit d e m Miste lzw e i g! In vielen Familien sieht man als Ergänzung des Weihnachtsbaumes nach englischer Sitte den Mistelzweig von der Lampe oder der Decke herabhängen. Wenn man sich schon in Frie­ denszeiten darüber geärgert hat, daß man im­ mer die ausländischen Sitten nachahmte, so wird man sie in der Jetztzeit gewiß verdam­ men. Ter Mistelzweig ist durchaus englischen Ursprungs, soweit dies die Bedeutung für das Weihnachtsfest betrifft. In keinem anderen Lande hat man den Mistelzweig als Symbol gebraucht, und daher sollte jeder Deutsche da­ raus verzichten, die Mistel zu Weihnachten an die Lampe zu hängen. Der deutsche Weih­ nachtsbaum ist ebenso romantisch wie schön, ebenso weihevoll, wie ernst und freudig stim­ mend, daß wir keine Anlehnung brauchen. Al­ so fort mit dem Mistelzweig aus jedem deut­ schen Hause! —* Eine Messer st echerei gab es ge­ stern abends in der Jägerstraße hier. In der Nähe der Prantlgarten-Brauerei kam es ge­ stern nach 9 Uhr abends zwischen dem Fuhrknecht Andreas Heim und einem Feldwebel und einem Soldaten des hiesigen Reservebataillons zu einem Streit, in dessen Verlauf Heim mit seinem Messer dem Feldwebel einen Stich in die Schlagader, dem Soldaten einen Stich in die linke Brustseite versetzte. Ter Täter wurde festgenommen, die Verletzten in ärztliche Be­ handlung gebracht. —* Eine männliche Leiche wurde heute früh in der Isar am Rechen der Ver­ einigten Kunstmühlen angeschwemmt. Tie Leiche, die noch nicht identifiziert werden konnte, wurde ins städtische Leichenhaus ver­ bracht. —* Weihnachtsspiele int städt. Waisenhaus. Tie von unserer Einwoh­ nerschaft und zumal der Jugend so gern be­ suchten Vorstellungen in unserem Waisenhause finden auch Heuer wieder statt. Tie Spiele sind dem Eharakter der ernsten Zeit vortrefflich angepaßt und lassen die Vorbereitungen etwas Gediegenes erhoffen. Mit Rücksicht auf den heurigen Zweck derselben (Unterstützung ver­ wundeter Krieger) muß von der bisherigen Ge­ pflogenheit, die Einladungen durch Karten er­ gehen zu lassen, Abstand genommen werden. Tie Kinderfteunde, Gönner und Wohltäter der Waisen und Krieger werden hierdurch, aufs Herzlichste eingeladen den Darbietungen der Kleinen beizuwohnen und so zum Wohle un­ serer Verwundeten beizusteuern. ────────── Letzte Posten. Eine Heldentat unserer Marine. Telegramm unseres Kriegsberichterstatters im Westen. Großes Hauptquartier, 16. Dez. Beim Besuche des Kriegsgebietes an der belgischen Küste erfahre ich folgende Helden­ tat unserer Marine: Am 11. November be­ absichtigte eine ganze ftanzösische Division aus nachmittags 4 Uhr bei Lombartzhde, nördlich Nieuport, den Durchbruch zu versuchen. 11 Bataillone Marrosen-Artillerie und MarineInfanterie kamen dem Feind zuvor und gin­ gen im Sturm, voran ein Marine-JnfanterieBataillon mit entfalteter Fahne, gegen die starke ftanzösische Stellung an. Da der Dünen­ flugsand Gewehre und Maschinengewehre teil­ weise unverwendbar machte, entschied das Ba­ jonett, und nach. blutigem Gefecht warfen un­ sere 6000 die 15000 Franzosen in die Flucht. Tie Franzosen ließen eine große Masse von Toten und Verwundeten aus dem Schlachtfelde und verloren über 800 Gefangene, darun­ ter viele Offiziere. Für den Heldengeist unserer Offiziere ist es kennzeichnend, daß wir bei 200 Toten 14 Offiziere verloren haben, die in Ostende feier­ lich bestattet worden sind. Mus die verbün­ deten Feinde, namentlich auf die Franzosen selbst, hat dieser Landsieg unserer Marine den tiefsten Eindruck gemacht. W. Scheuermann, Kriegsberichterstatter. ────────── Literarisches. Literarisches. Anörees Handatlas. Sechste Auflage, herausgegeben von Dr. Ernst Ambrosius (Verlag von Velhagen und Klasing in Bielefeld und Leipzig). Der Ausbruch ves Krieges hat auch in dem Er­ scheinen dieses Werkes eine plötzliche Unterbrechung nötig gemacht. Da nun aber gerade in unserer Zeit, in der der Kriegsbrand in allen Teilen der Welt lodert und noch immer weiter greift, der Besitz guter und zuverlässiger Karten ein ganz besonders lebhaft empfundenes Bedürfnis ist, und gerade jetzt der Handatlas öfter befragt werden wird, als je zuvor, so ist es mit Freuden zu begrüßen, daß der rühm­ lichst bekannte Verlag sich entschlosien hat, die Her­ ausgabe des "Andres" nunmehr weiterzuführen. Die uns vorliegenden beiden Doppellieferungen 6/7 und 8/9 enthalten außer dem Anfang des Namensverzeichnisies nicht weniger als 58 Kartenseiten, die wieder­ um Zeugnis ablegen von der gründlichen Durch- und Umgestaltung des weitverbreiteten Werkes. Wir können hier nicht aus Einzelheiten eingehen. Nur möchten wir hinweisen auf die völlig neugestaltete mit vielen Nebenkarten bereicherte Karte der Süd­ polarländer, die prachtvolle Karte des mittleren Schweden und Norwegen in 1:2 Mill., die vier großen Blätter der Balkanbalbinsel mit der wunder­ vollen Rückseitenkarte von Konstantinopel und betn Bosporus. Südengland ist ganz neu gezeichnet, ebenso wird die große Karte der deutschen Schutz­ gebiete in der Süd'ee, die leider für einige Zeit in die Hände unserer Feinde gefallen sind, besonderes Interesse erregen. Vielfache Verbesserungen und Bereicherungen haben auch die übrigen Karten er­ fahren, wovon wir nur noch die schönen großen Darstellungen der schlesischen, sächsischen und rhetnischwestsäiischen Industriegebiete (1:200000!) erwähnen wollen. Im gleichen Maßstabe erscheinen die Um­ gebungen von Breslau, Dresden, Leipzig, München und London. Es wird sicherlich jeden Interessenten an guten Karten — und wer wäre. das jetzt nicht? — freuen, zu erfahren, daß die Vollendung dieses großartigen Kartenwerkes einschließlich des vollstän­ digen Namensverzeichniffes zum Weihnachtsfest ge­ sichert ist. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk ist gerade in unserer jetzigen Zeit kaum zu denken. Wilhelm Steinhansen. Von Fried Lüb­ becke. (Künstlermonographien Bd. 109.) Mit 131 Abbildungen nach Gemälden, Radierungen und Zeichnungen, darunter 8 farbigen Ein­ schaltbildern. Velhagen u. Klasing, Bielefeld und Leipzig. Preis 4 Mark. Steinhaufens Lebensbeschreibung dürfte vielen zur rechten Zeit kommen. Tie Monographie bietet mit ihren 131 mehr- und einfarbigen Abbildungen eine Uebersicht über das Schaffen des Meisters, wie sie bisher noch nicht annähernd vorlag. Äriegs-Gcho. (Band I. Vornehm gebunden 2.50 Mark. Verlag Ullstein und Co., Berlin.) Ter ungeheure Kampf, denn das Deutsche Reich gegen eine Welt von Feinden auszufechien hat, wird für Jahrzehnte und vielleicht für Jahr­ hunderte den Laus der Weltgeschichte bestimm men. Tie gewaltigen Eindrücke, die täglich, ja stündlich, aus uns einstürmen, finden in Wort und Bild ihren packenden Niederschlag in dem im Verlag von Ullstein und Co., Berlin, erschienenen "Kriegs-Echo", dessen bis 1. De­ zember erschienenen Hefte zu einem geschmack­ vollen Band vereinigt wurden und somit für Alt und Jung ein vornehmes und zeitgemäßes Geschenk für den Weihnachtstisch bilden. Aus mehr als 250 Seiten Text enthält der Band (Preis: vornehm gebunden 2.50 Mark) das vielfach, verstreute Material an Schilderungen, Briefen, Depeschen und Dokumenten, sowie ne­ ben zahlreichen Karten, Sfizzen und Bildern eine farbige Karte von Europa. Dieser erste Band des "Kriegs-Echo", der einen besonderen Wert dadurch, erhält, daß er unter den mittel­ baren Eindrücken der großen Geschehnisse ent­ standen ist und somit als Erinnerungswerk seinen eigenen Reiz besitzt, kann durch ein Abonnement aus das wöchentlich erscheinende "Kriegs-Echo" (48 Pfg. im Monat) ergänzt und auf dem Laufenden gehalten werden. ────────── Die Kämpfe der Oesterreicher. WTB. Wien, 16. Dezember, mittags. Amtlich wird verlaütbart: In Galizien und Südpolen wird der zurückgehende Feind auf der ganzen Front verfolgt. Bei Lisco, Krosno, Jaslo und im Bialatale leisten starke russische Kräfte Widerstand. Im Tunajetztale drangen unsere Truppen käm­ pfend bis Zakliezhn vor. Auch, Bochnia ist wieder von uns genommen.. In Südpolen mußten die feindlichen Nach­ huten überall nach! kurzem Kampfe vor den Verbündeten weichen. In den Karpathen haben die Russen die Vorrückung int Latoreza-Tale noch nicht auf­ gegeben. Im oberen Tale der NadwornaerBhstrzhka wurde ein Angriff des Feindes zu­ rückgewiesen. Die Besatzung von Przemhsl un­ ternahm einen neuerlichen großen Ausfall, bei dem sich ungarische Landwehr durch Erstür­ mung eines Stützpunktes mit Trahthindernissen auszeichnete und wie gewöhnlich Gefangene und erbeutete Maschinengewehre in die Festung gebracht wurden. Ter stellvertretende Chef des Generalstabes: v. Höfer, Generalmajor. Zwei kleine deutsche Helden in Ostpreußen. Unter der jugendlichen Bevölkerung des deutschen Landes dürfte man kaum viele Hel­ den finden, die schon int zartesten Kindesalter auf dem Schlachtfelde ihr Blut vergossen und mit Mut und Unerschrockenheit sich in ähn­ licher Weise hervorgetan, wie zwei neun Jahre alte ostpreußische Knaben. Beide haben die Hoffnungen unseres großen Heerführers Goltz erfüllt, die er in unsere heranreifende Jugend gesetzt, als er vor wenigen Jahren daranging, den Jungdeutschlandbund ins Leben zu rufen. Ter erste der beiden verwundeten ostpreu­ ßischen Knaben heißt Gustav Schulz, ist in Masuren — int Kreise Lyck — von Pflege­ eltern erzogen und kaum neun Jahre alt. Als der zweite Ansturm der Russen gegen den südöstlichen Teil der Provinz Ostpreußen be­ gann, mußten auch. die Angehörigen des kleinen Jungen, die in der Ortschaft Dorschen, Kreis Lyck, ansässig sind, nebst allen übrigen Land­ leuten der Umgebung die Flucht vor den Fein­ den ergreifen. Ter kleine Ernst verlief sich in der großen Auftegung während der Flucht und irrte kurze Zeit allein in Wäldern und Feldern zwischen deutschen und russischen Trup­ pen umher. Trotzdem das Kind erst einmal flüchtiges russisches Militär bei dessen erstem Rückzug persönlich gesehen, hatte sich doch ein instinktiver Abscheu, vielleicht auch Haß gegen die Russenhorden bei deren vollführten Greu­ eltaten seinem kindlichen Gemüte einverleibt. \ Er mied jene Gegenden, wo er feindliche ! Heeresmassen sah und vermutete. Nach eini( gern Umherirren durch Wald und Flur stieß der Knabe auf einen deutschen Heerestrupp. Ihm klagte er seine Not und natürlich auch seinen längere Zeit ungestillt gebliebenen i Hunger. Selbstverständlich wurde er von un! seren Feldgrauen liebevoll aufgenommen, gefättigt und gepflegt. Tie betreffende Kom| pagnie, deren Liebling der für sein Alter sehr i aufgeweckte Knabe bald wurde, willigte in die I Bitten des Kindes, bei den deutschen Soldaten $ bleiben zu dürfen, gern ein.. Durch manche | kleine Handreichungen und andere Dienste, i Botengänge zu den abseits gelegenen Dörfern i machte sich das Kind bei der ganzen Kompag* nie sehr Geliebt und verblieb bei ihr einst: weilen. t | Am 18. Oktober war die Kompagnie in | ein größeres ernstes Gefecht mit den Russen - verwickelt und hatte in Schützengräben gegen | den Ansturm des Feindes Stellung genonvi men. Unser kleiner Held hatte sich, ebenso wie schon an vorhergehenden Kämpfen, mit einem Blecheimer versähen und trug damit unablässig Brunnenwasser und andere Er­ frischungen, deren er in den verlassenen Dör| fern habhaft werden konnte, den Mannschaften I der Kompagnie zu. So manche Kugel, so man­ ches Granatensprengstück umsauste auf seinen Liebesgängen den unerschrockenen kleinen Hel­ den, doch zeigte er nicht die geringste Spur ! auffteigender Furcht oder Beklommenheit. . Plötzlich sank er, von vier Kugeln ge s e n, zu Boden, ohne einen Klagelaut von sich * zu geben. Ein Geschoß durchbohrte den linI fett Fußknöchel, ein anderes drang durch die linke Wade, während die beiden anderen Ku­ geln nur Streifschüsse im rechten Arm ver­ ursachten. In vorgerückter Stunde wurde der ' nicht unbedenklich verwundete Knabe von | Mannschaften der Kompagnie zwar blutig und I bleich, doch gefaßt wie ein Held, aufgefunden \ und nach Anlegung blutstillender Verbände i ins Lazarett von Marggrabowa geschafft, wo j er vierzehn Tage hindurch verblieb. Als der I fortschreitende Genesungsprozetz einen länge| ren Transport gestattete, wurde der kleine ! Ernst nach Königsberg befördert und sieht in I einem dortigen Militärlazarett seiner Gene­ sung entgegen. Hier wird dem kleinen Helden, der bald ein Liebling aller verwundeten Sol­ daten, der ihn behandelnden Aerzte und Kran­ kenschwestern geworden ist, die beste Pflege i und ausgiebigste Wartung zu teil. Von all den * vielen Spielsachen, die ihm Besucher des La­ zaretts gespendet, ist ihm ein für ihn extra angefertigter Militärmantel, der in unmittel­ barer Nähe seines Krankenbettes hängt, das Liebste. Auch, zieht er die ihm geschenkten Zinnsoldaten allen anderen vielfachen vor. Vor seinen Augen hängt ein Bild von der Erstürmung Namurs. Tie Aerzte hoffen, den kleinen mutigen Knaben bis zum Weihnachtsfeste vollständig hergestellt zu haben. In eingeweihten Kreisen verlautet ferner, daß der jugendliche Held nach seiner völligen Wieder­ herstellung einer Kadettenanstalt überwiesen werden soll, wo er. seine künftige Ausbildung zum Soldatenberufe, an dem er mit Leib und Seele hängt, erhalten würde. Auch, der zweite junge Knabe, der gleich­ falls ein seltenes Beispiel kühnen Mutes wäh­ rend der Russenzeit in Oschreußen an den Tag gelegt, ist noch nicht zehn Jahre alt. Im , Spätsommer ist der Schüler eines MilitärWaisenhauses, der während der Ferien zum Besuche von Verwandten in der Tilsiter Ge­ gend sich aufhielt, bei der Ausübung eines ähnlichen, nicht minder anerkennenswerteu Lie­ besdienstes gegen unsere im Schlachtfelde ste­ henden Truppen an beiden Armen während eines heftigen Kampfes schwer verwundet wor­ den. Auch dieser, kleine Held schreckte nicht vor den ihn umsausenden Gewehrkugeln und Granatsplittern zurück. Sein mutiges Bestre­ ben war darauf gerichtet, nicht allein unseren int Schützengraben kämpfenden Truppen Er­ frischungen zuzutragen, sondern auch die aus dem Schlachtfelde liegenden Verwundeten mit kaltem Wasser zu erquicken. Vielleicht war es auch diesem tapferen Kinde vergönnt, einem e sterbenden deutschen Krieger die lechzenden Lip1 Pen mit kühlem Naß zu feuchten und manI chen Verwundeten Labung zu spenden. Leider hat mein Gewährsmann, schreibt ein Mitar­ beiter der Leipz. N. N., der den jungen Hel­ den per Dampfer von Tilsit nach Labiau ge­ bracht, dessen Namen und Wohnort vergessen. Tas aujgehot'ene Todesurteil von Eafablanca. Tie "Köln. Volksztg." erfährt aus Casa­ blanca: Privatnachrichten zufolge ist das ge­ gen drei deutsche Ansiedler in Marokko ausge­ sprochene Todesurteil in eine Gefängnisstrafe von je zwei Jahren umgewandelt worden. Eine ,Begründung ist noch, nicht bekannt. (Z.) Zwei Trägerinnen des Eisernen Kreuzes. Das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielten die fteiwillige Krankenschwester Karoline Bührer aus Durlach,, sowie eine aktive Kranken­ schwester, die gemeinsam bei Upern die ganze Nacht hindurch unter heftigstem Granat- und Gewehrfeuer Verwundete aus den vordersten Schützengräben holten. Teutsch,e Entschädigungsgelder für Luxemburg. Luxemburg, 17. Dez. Die vom Deut­ schen Reiches der Großherzoglich luxemburgi­ schen Regierung zur Verfügung gestellten Entschädtgungsgelder haben bis jetzt die Höhe von 1 900 000 Mark erreicht, wovon bereits 1 Mill. 450 000 Mark zur Auszahlung gelangt sind. Tie Störungen des Schweizerischen Handels. Basel, 16. Dez. Das Schweizerische Handelsdepartement veröffentlicht eine Tabelle, welche zeigt, wie sehr die Einfuhr in den ersten drei Kriegsmonaten zurückging. Tie Ziffern weisen überzeugend nach, daß die Schweiz die eigenen Bedürfnisse nicht decken konnte und daß daher die Behauptung, sie bezöge für andere Staaten Waren, gänzlich, unhaltbar ist. Die Tabelle weist auch, da­ rauf hin, wie schwer die schweizerische Volks­ wirtschaft unter den Einfuhrschwierigkeiten lei­ det, welche bei einer Fortdauer zu einer Ar­ beitseinstellung in den verschiedensten Indust­ rien führen würde. Internierung des Exschah, von Persien. Ter Exschah von Persien, der bisher in der Nähe von Odessa interniert war, wurde nach dem Gouvernement Wologda gebracht.