Gesammelte Artikeltexte des Kurier für Niederbayern, Ausgabe vom 1914-04-17. Unterstützt durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE). Herausgeber: Lehrstuhl für Digital Humanities, Universität Passau (2016). Veröffentlicht unter der Lizenz Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International. Kurier für Niederbayern: Landshuter Tag- und Anzeigenblatt; unabhängige Tageszeitung für Heimat und Volk. Altbayerische Verlagsanstalt Vereinigte Dr. Mühldorf, Betrieb Landshut. 67. Jahrgang Nr. 104, 1914-04-17. Die gescannten Zeitungsbände wurden von der Bayerischen Staatsbibliothek München zur Verfügung gestellt. (https://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=644150540&db=100) Die Zeitungsdoppelseiten wurden mit 300dpi und einer Farbtiefe von 24 Bit gescannt, die resultierende TIFF-Datei binarisiert und als Input für die OCR-Software verwendet. Überschriften, Artikeltexte und Seitenumbrüche wurden kodiert, Absatzumbrüche und Spaltenumbrüche wurden nicht kodiert. Artikelüberschriften wurden korrekturgelesen, Artikeltexte als OCR-Rohausgabe belassen. Das Vorhaben 'Digitalisierung historischer Zeitungen', in dessen Rahmen diese Daten generiert wurden, ist Teil des Projektes 'Deutsch-tschechisches Digital Humanities Labor zur grenzübergreifenden historischen Forschung' (http://www.phil.uni-passau.de/dh/forschung/deutsch-tschechisches-digital-humanities-labor/) der Universität Passau und der Südböhmischen Universität Budweis (CZ)" ──────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────── Kurier für Niederbayern Jahrgang 67 Nummer 104 17. April 1914 ────────── Woche mit seiner Gemahlin seine Schritte nach Paris lenkt, hat die französische Regierung eine große Ehrung zugedacht. Ihm wird nichts mehr und nichts weniger verstattet, als des Abends seinen müden Leib in dem Staatsbette Napoleons I. strecken zu dürfen. Die Manen des großen Korsen werden ihre Hände schützend über den englischen Herrscher ausstrecken, sie werden seinen Sinn für Frankreich einnehmen, und so kannte» denn wohl nicht aus­ bleiben, daß die "Entente Cordiale" jetzt zu einem festen Bündnis umgewandelt und Britenreich und Franzofentum noch enger verknüpft werden wird. Eine Arbeiterschlacht in Lorient. Wie aus Lorient gemeldet wird, verursachten die bei den Bauten im Lager von Coetquidam be­ schäftigten Arbeiter ernste Ruhestörungen, weil der Unternehmer auch Italiener angeworben hatte. Die Franzosen verlangten die Entlassung der Italiener.und zwangen die letzteren, sich in die Kantine zu flüchten. Von der Militärbehörde wurde eine Militärabteilung zum Schutze der Italiener auf­ geboten. Die Franzosen drangen trotzdem in die Kantine ein und bewarfen die Italiener mit Steinen. Die Italiener flüchteten nach dem Bahnhöfe und reisten sofort ab, wobei Beschimpfungen gegen sie ausgestoßen wurden. ────────── Bayerische Nachrichten. Ueber das Güterzertrümmerungsgesetz hat Dr. Heim im "Bayer. Kurier" neuerdings ge­ sprochen und auf Tatsachen hingewiesen, die dem Zentrum, als dem Schöpfer des Gesetzes wohl nicht recht angenehm sein werden. Dr. Heim schreibt: "Ich habe Ende März im "Bayer. Kurier" die Folgen des Güterzertrümmerungsgesetzes be­ sprochen. Unter anderem habe ich auch erwähnt, daß das Güterzertrümmerungsgesetz auch eine Schä­ digung der mit dem Vorkaufsrecht ausgestatteten Genossenschaften bedeutet, besonders der örtlichen Darlehenskassenvereine, die durch das Gütergeschäft mit ihren Mitteln auf lange Zeit hinaus festgelegt und dadurch ihrem eigentlichen Zweck, dem Personal­ kredit zu dienen, entzogen werden. Ich habe darauf­ hin viele Zuschriften erhalten, gerade aus ländlichen Genoffenschaftskreisen. Vor allem illustrierend für meine Ausführungen ist nachfolgender Brief eines ländlichen Genossenfchafismannes Münchner Observanz: "Auf Ihren Artikel betreffs Güterzertrümmer­ ung kann ich es nicht unterlassen, auf Grund der Erfahrungen die Richtigkeit Ihrer Beweise zu be­ stätigen. Wir haben einen DarlehenSkaffenverein mit über 100 Mitgliedern. Derselbe kaufte zwei Anwesen, größere um ungefähr 45 000 Mark, drei kleinere um ungefähr 15 000 Mark, einen Wald um 12 000 Mark, und wie steht die Sache jetzt? Kredit völlig erschöpft. Wer jetzt bei uns Geld braucht, kann schauen wo er eines bekommt. Bloß einige Beispiele: Die Zuchtgenossenschaft bräuchte 200 Mark auf ein Vierteljahr; wir konnten es nicht haben, wir mußten zur Bank um teuren Zins. Die Drainage­ genoffenschaft — jetzt schon die dritte — bräuchte das Geld zur Arbeiterauszahlung wöchentlich, bis das Geld von der Kulturrentenanstalt ausbezahlt wird. Nichts ist zu haben; wir müssen mit gegen­ seitiger Haftung zur Bank. Zu 7 Prozent bekommen wir das Geld. Von einem Bauern heiratete die Schwester. Er mußte einige Tausend Mark haben und konnte sehr froh sein, als er mit vielen Schwierig, ketten von der Landwirtschaftsbank Geld auf Hypothek bekam, von denen, welche unter diesen Umständen den Wucherern und den Juden in die Hände fallen, gar nicht zu reden. Wir brauchen bloß noch einige schlechte Jahre, dann blüht den Leuten ihr Geschäft besser, als wie e§ vor dem Gesetz gewesen ist. Man könnte noch vieles anführen, aber es fällt dem Bauern nicht so leicht, seine Gedanken schriftlich niederzulegen. Ohne jemand nahetreten zu wollen, muß man sagen, es find erstens die Leute nicht immer so tüchtig, zweitens nicht immer so ehrlich als sie sein sollten. Es-steht außer Zweifel, daß durch das Gütergesetz die Grundstücke im Wert gefallen sind und noch mehr fallen werden. Und wenn dann einer, sei es durch Krankheit oder Ueberschuldung, verkaufen muß, so hat er den Schaden." Das badische Grotzherzogspaar trifft heute nachmittags in M ü n ch e n ein zum Besuche de» bayerischen König?paares. Eine Ulmer Apothekerin. Fräulein Hildegard M o u t h s von U l m hat vor dem St. Medizinal­ kollegium in Stuttgart die pharmazeutsche Vorprüfung mit Rote I bestanden. Ei» Jungmannerheim, das den Zweck hat für 80 junge Männer Wohnung und volle Ver­ pflegung, Aufenthalts-, Lehr- und Turnräume zur Verfügung zu stellen, hat der Verein "Arndthaus" in Nürnberg errichtet; das Heim soll am 1. Juli eröffnet werden. Abgängig sind seit Ostermontag abends sechs Chevauleger der 2. Eskadron des 2. Chev.-Regts. in Regensburg. Bis jetzt konnte man keine Spur von ihnen entdecken. Der 32. Münchener Pferbemarkt wurde gestern vormittags von S. M. König Ludwig besucht, der bekanntlich selbst seit vielen Jahren der Pferdezucht großes Interesse entgegenbringt. Der König machte unter Führung des Präsidenten des Verein», Grafen Drechsel, einen längeren Rund­ gang durch die Halle und später auch am freien Pferdemarkt, wohnte der Vorführung von Reitpferde» und Viererzügen an und sprach seine Anerkennung über das ausgestellte Pferdematerial aus. Der König verlieh persönlich mehrere Auszeichnungen. Unter lebhaften Hochrufen des zahlreichen Publikums ver­ ließ der König nach eineinhalbstündigem Aufenthalt den Pferdemarkt. Heute wird er die offizielle Preisverteilung vornehmen. ────────── sie sich sterblich verliebte. Da sie mit ihrem Gemahl in unerquicklichen Verhältniffen lebte, beschloß sie, die Scheidungsklage gegen ihn einzuleiten und den Er­ wählten ihres Herzens zu heiraten. Sie wandte sich auf telegraphischem Wege an ihren Rechtsbeistand in San Franziska, der die nötigen Schritte einleitete. Nach eingehender Debatte erkannte das Gericht die Vollmacht des Anwalts der Dame für gültig und sprach die Scheidung aus, da Frau King wichtige Gründe vorbringen Heft, die ihr die fernere eheliche Gemeinschaft mit ihrem Gatten unmöglich machten. Sofort nach Verkündung des Urteils drohtete der Anwalt dem Auftrage der Dame gemäß nach Hono­ lulu die glückliche Entscheidung des Gerichts und eine Stunde später stand die Geschiedene bereits mit ihrem neuen Verlobten vor dem Traualtar in Honolulu. Rumäne dann das elektrisierende Wort "Heirat" aus­ sprach, ließen sie sich zumeist auch näher mit ihm ein und stellten ihm, wenn er ficht» "momentanerGeld­ verlegenheit" befand, ihr Portemonnaie zur Ver­ fügung. Aus diese Weife brachte es Poger cu fertig, zu gleicher Zeit neun Bräute zu haben. Mit dem Geld der einen kaufte er für die. andere kostbare Blumensträuße, um sie für einen neuen Pump will­ fähriger zu machen. Bei seinen Schwindeleien spielte ein angeblich in Glogau geführter Prozeß die Haupt­ rolle, in dem er sofort die Gebühren für einen Sach­ verständigen bezahlen müsse, andernfalls er den Prozeß verlieren würde. Auf diesen Schwindel fielen die Heiratslustigen hinein und gaben dem Angeklagten Summen bis zu 2000 Mark. Das Gericht erkannte auf 2'/» Jahre G efängnts. Wie der Vor­ sitzende bemerkte, habe der Angeklagte die Mädchen in der schamlosesten Weise ausgebeutet, wobei ihm deren fast unglaubliche Torheit zustatten gekommen sei. Die gestohlene« Stiesel. Der auf Veranlasiung des "Journal d'Allemagne" in Berlin weilenden französischen Reisegesellschaft wurden gestern im Hotel Cumberland, wo die Gesellschaft wohnt, etwa 40 Paar Stiefel gestohlen. Die Bestohlenen mußten auf Kosten de- Hotels neu beschuht werden. Die Diebe sind entkommen. Verderblicher Felssturz. Im Emme», thal (Schweizer Kanton Bern) ereignete sich bei R a m s e i ein Felssturz, wodurch ein Haus zerstört und zwei dort wohnende ältere Frauen gelötet wurden. Absturz eines ungarischen Fliegers. Aladar Z s e I y t, ein ungarischer, bekannter Aviatiker, ist auf dem Rakoser Flugfeld aus mehreren Metern Höhe abgestürzt und schwer verletzt worden. Der Zustand des Fliegers wird als bedenklich geschildert; sein Apparat ging völlig in Trümmer. Schneestürme in Sibirien. Aus Sibirien werden Schr.eestürme von außerordentlicher Heftigkeit gemeldet. Verschiedene Dörfer sind unter den Schneemasien vollständig begraben. Der Eisenbahnverkehr erleidet tagelange Verzögerungen. Auf der Strecke nach Perm ist es nur einem einzigen Zuge ge­ lungen. bis nach Jekatertnenburg durchzu­ kommen. Mehrere Personen- und Güterzüge sind im Schnee stecken geblieben. Man mußte Tausende von Soldaten und Arbeitern auf die Strecke htnaussenden, um die verschneiten Wagen freizulegen. Ein furchtbarer Wirbelsturm hat den Hafen von Porto Am e li a (Mozambkqu) zer­ stört und viele Gebäude vernichtet, die der NyaffaKompagnie gehören. Zahlreiche Eingeborene wurden getötet und verletzt; von den Europäern erlitt glück­ licherweise niemand Verletzungen. Zahlreiche Wohn­ stätten sind von dem Wirbelsturm so beschädigt worden, daß viele Europäer nach I b o überzusiedeln ge­ zwungen sind. Ein einträgliches Rennpferd. Ein um­ fangreiches Sportbuch, das kürzlich Henri Lee herausgegeben, enthält die Geschichte eines englischen Rennpferdes namens "Eclipse", das den Ruhm der englischen Renngeschichte bildet. Es rannte im Jahre 1769 im Alter von 5 Jahren zum ersten Male und trug in seinem einjährigen Rennleben 21 Stege davon. Bereits im Jahre 1770 nahm es unter dem Beifall einer rasenden Menge Abschied vom grünen Rasen, um seine Tage im Gestüt zu ver­ bringen. Das Pferd verendete im Alter von 25 Jahren und hatte seinem Besitzer an Preisen, Weltgeldern und Beschälgebühren die runde Summe von 12 Millionen Mark eingebracht. Ein folgenschwerer Hotelbrand. Ueber den Brand in dem "M e l v t n - H o t e 1" in Boston, bei dem acht Personen um­ kamen, werden jetzt nähere Einzelheiten gemeldet. Das Feuer brach mitten in der Nacht aus. Unge­ fähr 150 Gäste schliefen im Hotel. Die Feuerwehr mußte erst die Schläfer wecken. Die Flammen griffen aber mit einer derartigen Geschwindigkeit um sich, daß in kurzer Zeit das ganze Haus brannte. Die geängstigten Hotelgäste sprangen aus den Fenstern auf die Straße, wo sie meist schwer verletzt liegen blieben. Erst nach mehrstündiger Arbeit konnte das Feuer gelöscht werden. In einem Zimmer des fünften Stockwerks fand man die verkohlten Leichen einer ganzen Familie. Eine Scheidung ans drahtlosem Wege. Wahrscheinlich zum ersten Male seit ihrem Bestehen hat sich die Telegraphie in dev Dienst einer scheid­ ungslustigen Dame gestellt. Frau Mary King aus San Franziska lernte auf einer Weltreise in Honolulu einen jungen Engländer kennen, in den ────────── Niederbayerische Nachrichten. yr. Aus Lehrerkreisen schreibt man uns: Gegenwärtig werden im Amtsbezirk Landshut durch Herrn Bezirksar-t Dr. Gebhard in den einzelnen Schulorten im Beisein der Lehrpersonals alle jene Kinder einer ärztlichen Untersuchung unterzogen, welche im Mai in die Schule eintreten wollen, beim Schuleintritt aber das 6, Lebensjahr noch nicht er­ reicht haben. Diese amtsärztliche Untersuchung wird von Eltern und Lehrpersonal dankbarst begrüßt. Ebenso begrüßenswert wäre die ärztliche Untersuchung der Landktnder tnbezug auf Zahnbau. Seitdem das Lehrperfoval im Unterrichte dem Zahn »nd seiner Pflege erhöhte Aufmerksamkeit zuwendet, hat auch die Zahnbürste — namentlich bet Mädchen — auf dem Lande praktische Verwendung gefunden. Die Amtsärzte und ihre Berufskollegen auf dem platten Lande, die so oft in uneigennützigster Weise den Ge­ meinden entgegenkommen, könnten gerade auf diesem Gebiete eine segensvolle Tätigkeit ent­ wickeln zum Segen unserer ländlichen Jugend. Dingolfing, 16. April. (Der,Motorpflug), welcher den Winter über außer Dienst gesetzt war, hat dieser Tage seine Tätigkeit Im Jsarmoos wieder aufgenommen. Zurzeit werden die Versuchsflächen der k. Moorkulturstalion Dingolfing zwischen Moosthenning undThürnthenntngum­ gepflügt. Das Ungetüm steht unter der sicheren Führung des tüchtigen Motorführers Pritzl aus Dingolfing. Oberlinöhart, 15. April. (Ein erschreckender Unglücksfall) ereignete sich hier am Ostermontag nachmittags. Ein Sohn des Söldners Lorenz Ne ß1 au er machte sich vor dem Hause mit einem Flobertgewehre zu schaffen. Dasselbe ging unver­ sehens los und iüe Kugel traf die Mutter des Un­ vorsichtigen am Kopfe. Die Kugel blieb glücklicher­ weise im Schädelknochen stecken, so daß wenigstens keine Lebensgefahr für die Getroffene besteht. Straubing, 16. April. (Sleletlfund.) Bei den Ausgrabungen im Martenheim, die gegenwärtig zwecks eines Anbaues vorgenommen werden, wurden an dem Platze, wo früher das Holmer-Haus stand, zwei Menschenskelette gefunden. Dieselben dürften aus der Zeit der Belagerung Straubings (1742) stammen. Sie lagen nur 1 Meter tief unter der Erde und waren mit Kalk bedeckt. Derartige Funde wurden an der Südseite unserer Stadt schon mehrere gemacht; ein Zeichen, daß hier gar mancher Be­ lagerer den sicheren Geschossen der Straubtnger Miliz zum Opfer fiel und ohne weitere Umstände in die Erde verscharrt wurde. Straubing, 16. April. (Von Strolchen über­ fallen.) Gestern vormittag ging die Oekonomsgattin Frau Fanny Seidl vonAlburg nach Wiesendorf, um einem Leichen begängniffe beizuwohnen; auf dem Heimweg wurde sie unweit Lerchen Heid von zwei Strolchen überfalle», mit langen Messern bedroht und "ihrer Barschaft beraubt. Auf ihre Hilferufe eilten zwei Söhne des Herrn Biendl von Lerchenheid, welche in der Nähe arbeiteten, herbei und verfolgten die Straßenräuber bis ungefähr nach Straubing, wo die bereits telephonisch verständigte Schutzmannschaft die Beiden verhaftete. Deggendorf, 15. April. (Entsprungene Geistes­ kranke) Der in der Heilanstalt in Mainkofen als Geisteskranker internierte 21jährige Metzger­ bursche Mtttermeier aus Pfarrkirchen ist am Sonntag, wo ihm Ausgang gewährt wurde, entlaufen. Durch die Schutzmannschaft in Strau­ bing wurde er verhaftet und gestern wieder in die Heilanstalt eingeliefert. — Heute nachmittags ist aus der Heilanstalt Deggendorf ebenfalls ein Geisteskranker entsprungen, der von Spaziergängern beobachtet wurde, als er, die Schuhe in den Händen, barfuß der Waldung gegen S i m l i n g zulief. Zwiesel, 15. April. (Neuschnee.) Auf die herrlichen warmen Ostertage ist vergangene Nacht ein starker Temperatursturz eingetreten. Heute stütz boten sich dem überraschten Blick unsere Berge bis auf hundert Meter herunter im Neuschnee. Pasta«, 15. April. (Ertrunken.) Mehrere Kinder spielten gestern abends in einer Zille in der Jlz. Der 7 jährige Maurers- und Hausbesitzerssohn Grasmeier stürzte während des Schaukels ins Wasser und ertrank. Nach langem Suchen wurde der ertrunke Knabe von feinem Vater gefunden und aus dem Wasser gezogen. Paffau, 15 April. Die "Paffauer Zeitung" berichtet über ein I n t e r m e z z o, das sich bei Veranstaltung einer ,.K ü n st l e r g r u p p e" in einem hiesigen Lokal abspielte. Vor den Osterfeiertagen machte die umfassende Reklame dieser Leute, die sich den Namen "Internationale Gastspieltournee deutscher Bühnenkünstler" zulegte, einiges Aufsehen. Nicht weniger als vierzehn Mitglieder waren auf den Plakaten verzeichnet. Die stattliche Aufmachung der Reklame lockte zu dieser Schaustellung eine beträchtliche Schar Gäste an. Nach den ersten Nummern schon war mau sich klar, daß man von dem Ensemble auf die dreisteste Weise hereingelegt worden war. Das Ensemble umfaßte kein halbes Dutzend Personen, und deren Dar­ bietungen waren fast ausnahmslos derart parterre, daß es zu steigender Erregung und schließlich zum offenen Skandal kam. Das Publikum erzwang sich mit einem Bombardement mit Bierfilzen, Zündh olzfchachteln, Sem­ meln den Schluß der Produktion. Daran an­ schließend wurde den Leuten in einer "gesalzenen" Rede eines Zuschauers von offener Bühne der Standpunkt klar gemacht. Schließlich verlangte der Restaurateur von dem "Herrn Direktor" die Rück­ erstattung der gegebenen Vorschüsse und unter dem Zwang des Publikums mußte diese auch erfolgen. ────────── —r Aus Furcht vor Strafe sind am Dienstag ihren Eltern zwei hiesige Jungens tm Alter von 14 und 15 Jahren entlaufen und nach München gewandert. Dort wurden die beiden Flüchtlinge aufgegriffen und gestern abends wieder hieher gebracht. -r D l e Blütezeit hat begonnen. Seit einigen Tagen stehe», besonders im städtischen Hofgarten, die Kirschen und Birnbäume bereits in voller Blüte. Auch Pflaumen- und Aprikosenbäume beginnen bereits ihre Blüten zu entwickeln. Hoffentlich bleiben wir vor öfteren Retfniederschlägen, wie gestern, verschont, damit die Blütenfülle auch zur Entwicklung gelangen kann und uns ein obstreiches Jahr beschert wird. —* Unentgeltliche Beratung und Vertretung tnUnfall- und Jnvalidenrentensachen. Eine ständige Vertretung in Unfall- und Jnvalidenrentensachen vor dem ReichsVersicherungsamt unterhält der Verband der deutschen gemeinnützigen und unparteiischen Rechtsauskunfts­ stellen. Gesuche um Vertretung, die völlig kostenlos erfolgt, sind unter Beifügung sämtlicher Akten an den Verbandsvorsitzenden, Oberbürgermeister Kaiser zu Neukölln, Rathaus, zu richten. Der Verband erteilt ferner Auskunft in allen Frägen der Arbeiter­ versicherung und übernimmt endlich bei begründeten Rentenansprüchen auch die kostenlose Anfertigung von Schriftsätzen im Verfahren vor den Oberversicherungs­ ämtern. — * Die Schlierseer bringen heute abends zum erstenmale hier die Bauernkomödie ,.s ' D o r f g ' h o a m n i s" mit Gesang und Tanz in drei Akten von Hans Werner zur Auf­ führung. -rGottund die Welt, lautet das Thema eines Vortragszyklus, der zurzeit hier stattfindet. Gestern hielt tm Hotel Bernlochnersaal Herr A. F. Sachsen« m e 9 e i den ersten Vortrag dieses Zyklus mit dem Thema "Gott und wir". Der Vortrag be­ schränkte sich auf die Bekämpfung und Widerlegung der manistischen Weltanschauung und die Hervorhebung der Notwendigkeit des Gottgedankens. Der zweite Vortrag findet am Sonntag abends im Turner­ zimmer des Hotel Bernlochner statt. -r. Die Vereinigte Zimmerstutzenfchützengesellschaft hält am nächsten Diens­ tag abends 7 Uhr im Restaurant Sterngarten ihr Endschteßen ab. Mitte Mai wird dann tm Re­ staurant zur Schleuse das Anfangsfchießen der Sommersatson, verbunden mit Königsjchteßen, abge­ halten. Die Gesellschaft, die sich schon bet der vorigjährigen Bartlmädult durch Veranstaltung eines Preis­ schießens auf der Festwiese große Verdienste um die Stddt erworben hat, findet immer mehr Aufmerk­ samkeit und Jntereffe bet der hiesigen den Schießsport liebenden Bevölkerung. Stadttheater. Die ernste Kunst Thaliens ist der heiteren länd­ lichen Muse gewichen, die gestern mit ihrem prädestiniertesten Vertreter Xaver Terofal und seinen Schlierseern in unserem Stadttheater Einzug hielt. I» der dreiaktigen Bauernpoffe "Der Herr G' s ch w o r e n e" von Georg Gail, Philipp Wetchand und Eduard Pleilhner, zeigte sich die Truppe von ihrer besten Seite. Die Komödie kann und will keinen Anspruch auf eine literarische Tat machen, sie hegt lediglich dar Bestreben das Publikum zu unter­ halten, ihm in einigen heiteren Stunden den Ernst des Alltagslebens vergessen machen und dafür hätten die Herren Autoren kein beredteres Sprachrohr als das Schlierseer Ensemble finden können. Allen voran ist es Direktor Terofal, der durch feine unver­ fälschte Urwüchsigkeit, seinen natürlichen trockenen Humor das Auditorium in seinen Bann zieht und dem Zwerchfell des Publikums am meisten zusetzt. Sein Pseudogeschworener Bachbauer gibt der ganzen Posse den Ton, er stellt eine Figur auf die Bühne an der man sich nicht satt hören und sehen kann. Von ihm darf man getrost behaupten, tr hat seinen Meister nicht nur erreicht, sondern in manchem sogar | übertreffen. Unter der Truppe befinden sich altbe­ kannte Namen die den Ruhm und das Ansehen der Ortginal-Schlterseer mit hinaustragen in alle Welt und die sich auch gestern würdig an die Seite Terofals stellten; ich nenne nur den verschmitzten Unterhändler Kipper Georg Vogelfangs, die resche Bachbäuertn Therese D t r n b e r g e r s, den schmucken Bauernltebhaber in Fritz ©reiner und sein herziges Dirndl in Anni Terofal; doch auch die übrigen Darsteller boten naturechte, herzerquickende Leistungen. Ein Virtuosenterzett Karl Schwarz (Stretchmelodion), Karl Willner (Zither) und Josef Riendl (Gitarre) kürzte die Zwischenpausen und riß die Zuhörer ob seines künstlerischen Spieles zu nicht enden wollendem Beifall hin- Auch den althergebrachten .Schuhplattler mußte und mochte man nicht missen. Xaver Terofal hat den Ruf seines Bauerntheaters nunmehr auch in Landshut wieder befestigt, nachdem hier auf dieses Genre von ver­ schiedenen anderen Gesellschaften, die mit allen mög­ lichen Namen Originalität vorzutäuschen versuchten, ziemlich gesündigt wurde. Wer sich also einmal herzlich auslachen will, dem muß dies bei Terofal und seiner Gesellschaft gelingen. Heute abend kommt Hans Werners Bauernkomödte ,,S' Dorfg'hoamniS" mit Direktor Terofal in der Hauptrolle zur erstmaligen Aufführung. Grm. ────────── Sport. Fußball. Turnverein von 1860 München II (Liga-Ulaffe) — Turnverein von 1861 Landshut I: 2:1 (Halbzeit 1:1). Spielverlauf: München hat Platzwahl und läßt die hiesige Mannschaft gegen die Sonne spielen. Vom Anstoß ab kommen die Stürmer schön vor das Tor der Münchener Mannschaft; die heikle Situation klärte der Torwart. Nach 15 Minuten Spielzeit konnte die hiesige Mannschaft durch einen Elfmeter ein Tor erzielen, doch gleich darauf bringt ein Eckball, der von dem Halblinken infolge schlechter Deckung mühelos eingeschossen wurde, der Münchener Mannschaft den Ausgleich. Bis Halbzeit wurde das ausgeglichene Spiel in leb­ haftem Tempo weitergeführt, zahlreiche interessante Momente an Technik und Kombination bietend, ohne an dem Resultat etwas zu verändern. Nach Wieder­ beginn spiellte die Münchener Mannschaft etwas überlegen, ab«er die sehr gefährlichen Angriffe wurden durch die heimische Verteidigung immer rechtzeitig unterbunden. Kurz vor Schluß wehrt der Torwart der hiesigen Mannschaft einen Ball schlecht ab, sodaß derselbe unhaltbar nachgeschossen den 2. Treffer für die Münchener Mannschaft brachte. Nachdem von den hiesigen Stürmern noch einige sichere Chancen unauSgenützt blieben, machte der Schlußpfiff dem interessanten Spiel ein Ende. — Der Münchner Mannschaft gebührt ein Gesamtlob; gutes technisches Können, Schnelligkeit und Ausdauer lassen ein systematisches Training erkennen. Die Mannschaft des Turnvereins von 1861, welche in neuer Auf­ stellung antrat, paßte sich überraschend schnell der Spielweise der Gäste an, sodaß ein wirklich schönes Spiel den Zuschauem geboten wurde. Besonders die Läufer und die Verteidiger spielten mit vorbild­ licher Aufopferung. Das Frühjahrsmeeting i» Daglfing wurde gestern fortgesetzt. Die günstige Witterung brachte wiederum eine äußerst zahlreiche Sportgemeinde nach Daglfing. Erste Preise gewannen: 1. AprilRennen: H. Wetdm üllerS«Dtngolsing "Distel". 2. Preis von Horst-Emscher: I. Dorf» ers-Oberpolltng "Beata Vasco". 3. Preis von Liltenhof: H.MooshammersRetchenhall "Aconit". 4. Internationales Flieger-Rennen: L. Winklers -Kößlarn "Erik". 5. Germania-Preis: I. HubersHöllriegelskreuth "Trotzdem". (Am Totalifttor wurden 270:10 für den Sieger auf Steg ausbezahlt.) 6. Bavaria-Preis: A. Mareis-Feldktrchen "Ebbe". 7. Verkaufs-Rennen(Besitzer-Fahren): W. Ftnkls-Ottmaring "Curator". ────────── Letzte Posten. Unruhen in Montenegro. C e t i n j e, 17. April. Die Stämme der Hott G r u d a, deren Gebiet von der Londoner Botschafterbesprechung Montenegro zugesprochen war, nehmen wieder eine feindselige Haltung ein indem sie täglich * die friedliche Bevölkerung von T u z i angreifen. Die Regierung ergriff deshalb die energischsten Maßnahmen, um- die Ordnung wieder herzustellen und ihre Rechte zu verteidigen. Ek» neuer Angriff der Araber in Tripolis. B e n g a s t, 17. April. 2000 Rebellen, die bet G e d a b i a die vereinigte Kolonne unter General Cantore angriffen, wurden nach heftigem Widerstand unter völliger Un­ ordnung zurückgeworfen und von italienischen Truppen verfolgt. Die Aufständischen ließen 15 4 Tote zurück, nahmen aber zahlreiche Verwundete mit. Sie verloren ihre Zelte, Lebensrnittel und Munition. Bei den Italienern fielen 2 Offiziere und 2 Soldaten, 5 wurden verwundet, 4 Askart sind gefallen und 21 verwundet. Das chinesische RäubSkrrntvefen. Peking, 17. April. Rach Meldungen aus S i a n f u plünderten Räuber K i e n ch o w und nahmen es ein, wobei sie viele Personen töteten oder verwundeten. Einzelheiten liegen noch nicht vor. 3000 Mann bester Truppen sind von S ch e n s k tn Eilmärschen in Sianfu eingetroffen und sogleich nach Westen weitermarschtert. Sie haben bereits mit den Räubern Fühlung ge­ wonnen. 5000 Mann aus Kanfu besetzten die Distrikte F e n g s i a n f u und P i n ch o w und ver­ sperrten dadurch den Räubern den Vormarsch nach dem Westen. 5000 Mann wohlausgerüsteter und gut disziplinierter Truppen aus Sianfu machen sich heute nach Ktenchow auf den Weg, weitere 7000 Mann treffen in kurzem dort ein. Die Lage hat sich sehr gebessert. Einige Städte sind der Plünderung dadurch entgangen, daß sie die Tore öffneten und schweres Lösegeld zahlten. Städte, die Widerstand leisteten, wurden erbarmungslos be­ handelt, die Grausamkeit der Räuber war überall furchtbar. Viele Missionsärzte begaben sich zur Pflege der Verwundeten nach H u h f i n und C h o w ch i. Handel und Verkehr. Nürnberg, 15. April. (Viehmarkt.) Preise: per 50 Kilogramm Lebendgewicht: Ochsen vollfleischige 1. Qualität 48—50, (Ausland Lebend­ gewicht 52—55), vollfleischige 2. Qualität 44—47, (Ausland Lebendgewicht 00—00), fleischige 39— 43, (Ausland Lebendgewicht 00—00),, mäßig genährte 35—37, (Ausland Lbdgew. 00—00), gering genährte 00—00; Bullen: vollfleischige 1. Qual. 40— 43, 2. Qual. 36—39, mäßig genährte 33—35, (Schlachtgewicht: 1. Qualität 78-81, 2. Qualität 00—00, 3. Qualität 00—00). Lebendgewicht: Kühe und Kalbinnen vollfleischige 1. Qual. 42—47, 2. Qual. 37—42, ältere ausgemästete 30—36, mäßig genährte 25—29, gering genährte 19—24, gering genährtes Jungvieh 00—00; Schweine (Fettschweine) über 150 Kg. 00—00, vollfleischige von 120 bis 150 Kg. 51—52, von 100 bis 120 Kg. 50—52, von 80 bis 100 Kg. 49—52, unter 80 Kg. 49—53, Sauen 00—00, Bratenschweine 00—00; Schlachtgewicht: Fettschweine über 150 Kg. 00—00, vollfleischtge von 120—150 Kg. 00—00, von 100 bis 120 Kg. 59—61, von 80—100 Kg. 58-62, unter 80 Kg. 58—64, Sauen 00—00, Braten­ schweine 00—00. Gesamtzufuhr: Groß­ vieh 666 Stück, darunter aus dem Auslande —. und zwar Ochsen: 223, Bullen: 38, Kühe: 241, Jungrtnder: 164, Kälber lebende 44, geschlachtete 2, Schweine lebende 2208, geschlachtete —, Schafe und Ziegen: lebende 35, geschlachtete 2, Lämmer, Spanferkel und Kitze lebende —, geschlachtete 2. Marktverlau f: Ochsen rege, Bullen flau, Kühe und Kalbinnen sehr flau, Schweine flau. ────────── Dieser wirtschaftliche Zweck ist aber für die Auslegung besonders wichtig. Der Zweck des Gesetzes und entsprechend au* der Zweck der Ausbedingung des fristlosen KündigungSrechteS im Mietverträge für den Fall der Nicht­ zahlung deS Mietzinses ist aber der Schutz des Vermieters. Der Vermieter hat ein erhebliches Interesse an der pünktlichen Zahlung deS Miet­ zinses schon deshalb, weil er ihn zur Bezahlung von Hypothekenzinsen, Abgaben und sonstigen Ausgaben braucht, durch deren Nichtzahlung ihm die erheblichsten Nachteile entstehen können. Diesem Jntereffe des Vermieters ist aber nur dann gedient, wenn der Mieter den vollen Mietzins rechtzeitig zahlt oder doch nur mit einem ganz unerheblichen Teile im Rückstände bleibt. Nach der Auslegung deS BerufungSgerichtes wäre aber schon die Zahlung eine» noch so geringfügigen Teiles des Mietzinses geeignet, dem Vermieter daS Recht der einseitigen Aufhebung deS Vertrages zu nehmen. Das Reichsgericht sagt also: Nach vernünftiger, dem wirtschaftlichen Zwecke der Verlragsbestimmung entsprechender Auffassung ist mithin das Recht des Vermieters zur einseitigen Ver­ tragsaufhebung dann gegeben, wenn der Mieter den Mietzins ganz oder zu einem nicht ganz unerheblichen Teile im Rückstände gelassen hat. Der zweite Revistonsangriff richtet sich gegen die Auffassung, daß in der vorbehaltlosen Annahme einer Teilzahlung seitens des Ver­ mieters ein Verzicht auf das ihm bei unpünkt­ licher Mietzahlung zustehende Kündigungsrecht zu finden sei. Auch dieser Angriff ist nach dem Reichsgericht begründet. Die Meinung, daß in der vorbehaltlosen Annahme einer Teilzahlung im allgemeinen ein Verzicht auf das Kündlgungsrecht zu finden sei, wird zwar von Staudinger BGB. Anm. I 1 zu 8 554, auf den sich das Berufungsgericht bezieht. vertreten, hat aber sonst in der Rechtslehre und in der Recht­ sprechung keinen Beifall gefunden. Dies wird vom Reichsgericht im einzelnen näher nachge­ wiesen. Es kommt im wesentlichen immer darauf an, ob nach den Umständen des Falles der Wille des Vermieters angenommen werden kann, auf sein Kündigungsreckt zu verzichten und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältniffes einverstanden zu erklären. Bon irgend­ welcher Prüfung der Umstände des Falles hatte aber das Berufungsgericht hier völlig abgesehen. Dies wird vom Reichsgericht gemißbilligt. Diese Entscheidung, die wie bereits hervor­ gehoben jedenfalls wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts Aufnahme gefunden hat, dürfte für die Praxis maßgebend sein und die Rechtslage geklärt haben. Gegen­ über dem zweiten Teile der Entscheidungsgründe, daß vorbehaltlose Annahme einer Teilleistung «och keinen Verzicht auf ein Kündigungsrrcht darstellen muß, dürfte es doch angezeigt sein, stets bei Teilzahlungen unter Vorbehalt der Rechte zu quittieren. Dann dürfte die Annahme eines Verzichtes aus das Kündigungsrecht seitens des Vermieters kaum möglich fein. Landrichter Dr. 8. im "Der Tag". ────────── eilig; ohne sich zu irgend etwas anderem Zeit zu gönnen, ist er zur Bahn gefahren. So macht er's halt, wenn» einen ernsten Fall gibt!" rief Hofmann in wichtigem Tone. Jetzt sprach die Dame wieder. "Wohin, weiß ich nicht, gnädiges Fräulein; aber jedenfalls kehrt er morgen abend um diese Zeit heim. Soll ich irgend etwas bestellen?" Die Antwort lautete verneinend. "Also nichts! Gut. Schluß." Das bartlose, schlaue Bedientengesicht verzog sich in grimmigem Spott, und ungeduldig trat Hofmann vom Telephon hinweg. "Hab' ich's nicht gesagt, daß die Frauenzimmer ganz rappelig sind. Na, den fängt so bald keine ein, der geht ihnen immer wieder durch die Lappen! Das weiß ich ganz genau!" Mit dieser Schlußfolgerung ging Hofmann wieder au seine Arbeit. * * * Schloß Braunshausens stolze Herrlichkeit, die Zeiten, wo es einst Kaiser, Könige und manchen be­ rühmten Feldherrn als Gast in seinem ehrwürdigen Gemäuer beherbergt hatte, waren zwar längst vorüber; allein weder Kriegsnot, Revolution, noch Wandlungen und Stürme vieler Jahrhunderte hatten seiner Statt« lichkeit irgendwie Einbuße gebracht. In unnahbarer Exklusivität beherrschte es die Gegend, immer noch ein stolzes Wahrzeichen ver­ flossener Macht. Längst auch waren seine Zugbrücken gefallen und die Befestigungswälle zu sanft absteigenden, grünen Terrassen und prächtigen Gartenanlagen umgewandelt worden. Nur hie und da lugten ein paar Schießscharte» aus, dem den großarttgen Bau nur noch teilweise um­ gebenden, unter wildem Weingeranke fast versteckten Mauerwerk. "Ein Platz geheiligter Traditionen!" hatte Gräfin Nippach von diesem Schlosse gesagt, und dennoch war sie demselben fern geblieben, hatte Jahre um Jahre verstreichen lassen, ehe sie selbst und ihr Sohn hier wieder einmal festen Fuß gefaßt. "Pius" — das war der Name des verstorbenen Gemahls — "Pius liebte das alte Haus nicht!" Hiermit begründete die Dame es damals, daß man Braunshausen so auffällig mied und sie selbst nur von Zeit zu Zeit für kurze geschäftliche Besuche hier­ her kam. Später, als sie Witwe geworden und der Sohn heranwuchs, hieß es: "Dominikus kann seine Studien nicht unter­ brechen. Das rauhe Klima von Braunshausen be­ kommt ihm nicht." Oder: "Er hat bedeutendes Talent zur Malerei. Seine Lehrer in Paris ver­ sprechen sich viel davon. Den Winter verbringen wir ja ohnedies im Süden." Darüber, daß ein düsterer Schatten der Gräfin junges Eheglück und die in Braunshausen verlebten ersten Jahre ihrer Verheiratung getrübt und die Er­ innerungen an jenen Lebensabschnitt sie noch heute schmerzlich stimmten, darüber zu sprechen hätte der stolzen, mit sich selbst sehr hart umgehenden Frau eine Schwäche gedünkt. Sie war daher auch ziemlich ftemd in der Gegend, kannte die Nachbarn, bei denen der verstorbene Graf als wunderbarer, menschenscheuer Kauz gegolten, kaum den Namen nach, und erst durch ihre freund­ schaftlichen Beziehungen zu den Retzows schienen die hiesigen Verhältnisse ihr mehr Interesse abzuge­ winnen. Den wirklichen Grund, weshalb die kluge Frau sich urplötzlich wieder in Braunshausen heimisch ein­ zurichten, den dort Angestellten, wie den Bewohnern des Ortes eine gütige Herrin und hilfreiche Beschützerin zu werden begann, diesen Grund verschloß Gräfin Amalie Nippach natürlich in tiefster Brust. Mit heimlicher Genugtuung gewahrte sie nur, daß Dominikus, dessen für seine Jugend ernstes, ver­ schlossenes und gegen jede heitere Zerstreuung bisher gleichgültiges Wesen ihr oft Kummer bereitet hatte, nun mit einem Male auf gesellige^ Verkehr, Aus­ fahrten und Abwechslungen drang.; (Fortsetzung folgt.)